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Notizen zur Frühjahrsbeilage der FAZ erschienen am 22.04.2023

1. August 2023. Im Herbst erscheinen die Buchmessenbeilagen der großen Zeitungen. Der Perlentaucher wertet sie aus und verfasst zu jeder Kritik in diesen Beilagen eine resümierende Notiz. Auch auf eichendorff21 können wir so einen Überblick über jene Bücher geben, die von den Zeitungen im Herbst als besonders wichtig erachtet werden. Hier die Literaturbeilage der FAZ für Herbst 2022.

Es ist sicher nicht einfach, einen Sammelband zu rezensieren, in dem sich 22 Autoren zu einem Thema äußern. Carlota Brandis tut ihr Bestes. Offenbar scheinen die Autoren aber in ihrer Kritik der vergangenen deutschen Russland-Politk recht einig zu sein: Sie sei naiv gewesen. Aber wann hat die Naivität angefangen, fragt Brandis, 2001 mit der Putin-Rede im Bundestag, oder 2014 nach dem Überfall auf die Krim? Wie auch immer: Sie teilt … mehr

Dass der Übergang von Normal zu Unnormal fließend und manchmal gar nicht genau zu unterscheiden ist, lernt Kritiker Freddy Langer mit den Fotografien, die Mary Ellen Mark 1976 in der geschlossenen Psychiatrie gemacht hat. Ausgehend von den Dreharbeiten zu "Einer flog über das Kuckucksnest", die sie begleitet hat, hat sie ein Interesse an den Unterbringungsbedingungen entwickelt, weiß Langer, und selbst fünf Wochen auf Station verbracht. Dort sind Fotos entstanden, die die Lebensbedingungen und die … mehr

Rezensent Gustav Seibt wünscht sich Reinhart Kosellecks Abhandlungen in die Schulbücher. Was der Historiker hier über europäische und deutsche Denkmalpolitik schreibt, über die Kriegerdenkmäler in jedem Dorf, öffnet Seibt die Augen - über die Demokratisierung des Gedenkens, seine Funktion im öffentlichen Raum und seine Bildsprache. Fortan reist Seibt anders durchs Land. Kosselecks Präzision und Unnachsichtigkeit bei der Dechiffrierung von Friedhöfen und Statuen scheint ihm verblüffend. Allein schon der Text zu … mehr

Patrick Bahners' bespricht diese Schrift zusammen mit einer Ausgabe der "Geronnenen Lava", die neu bei Suhrkamp erscheint. Es geht hier besonders um die Mahnmal-Debatten der Nachwendezeit, in denen Reinhart Koselleck intervenierte. Jureit beschreibe hier die "Rückwirkungen der Wirkungslosigkeit, die Koselleck schmerzlich erfuhr". Bahners findet die Äußerungen Kosellecks damals teilweise durchaus problematisch, führt das allerdings nicht aus. Ihn stören etwa Überreste alter deutscher Arroganz gegen die Idee der "Lieux de mémoire" des französischen Historikers Pierre Nora. Er liest Jureits Ausführungen … mehr

Einhörner haben den Mainstream nicht nur erreicht, sondern quasi durchschlagen, stellt Rezensentin Ursula Scheer fest. Naheliegend also, dass die beiden Sprach- und Literaturwissenschaftler Bernd Roling und Julia Weitbrecht nun ein Buch zur Rezeptionsgeschichte des Einhorns vorgelegt haben, findet sie: So ist zu lernen, dass das Einhorn als Mythos und Fabelwesen schon in der Antike Projektionsfläche menschlicher Hoffnungen und Wünsche nach Schutz war, später hat es dann als Symbol für Religion … mehr

Rezensent Thomas Groß freut sich darüber, wie vielschichtig Mark Braudes Doppelbiografie von der Beziehung zwischen der Künstlerin Alice Prin alias Kiki de Montparnasse und Man Ray im Paris der 1920er Jahre erzählt. Einerseits fängt der Autor das Lebensgefühl der Zeit ein, meint Groß: die Abkehr von der Bourgeoisie, die Suche nach künstlerischer Freiheit und Ekstase. Andererseits, so der Kritiker, hat Baude mehr als ein weiteres "Sittengemälde aus dem Leben der Bohème" geschrieben, viel mehr versucht … mehr

Rezensentin Petra Ahne empfiehlt wärmstens das Buch der Ökologin und Moor-Spezialistin Franziska Tanneberger und der Journalistin Vera Schroeder über unsere Moore und ihre wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Ahne möchte nach der Lektüre sofort ins nächste Moor stapfen, aber wo wäre das? Über die Umwandlung von Mooren ins landwirtschaftliche Nutzflächen schreibt Tanneberger laut Ahne ebenso aufwühlend wie über das Aussterben des Seggenrohrsängers. Die Kombi aus leidenschaftlicher Icherzählung und … mehr

Bisher dachte Rezensent Wieland Freund, dass vor allem geringe Geldmittel in der Science-Fiction-Produktion zu dürftiger Alien-Fantasie geführt haben: Bei Star Trek sahen extraterristischen Lebewesen den Bewohnern der Erde immer recht ähnlich. Dass jetzt der Cambridger Zoologe Arik Kershenbaum behauptet, die Gesetze der Biologie und auch die der Evolution gelten im Grunde im gesamten Universum, erstaunt ihn also. Früher galt dies als "irdischer Provinzialismus". Kershenbaum stellt sich jedoch auch hinter Alpha Centauri … mehr

Rezensent Ralf Bönt versteht mit dem launigen Buch der Physikerin und Wissenschaftstheoretikerin Sabine Hossenfelder den Sinn des Lebens besser. Auch wenn die luzide, leichte Erzählweise der Autorin Raum für Widerspruch lässt, wie Bönt findet, stößt der Rezensent doch immer wieder auf "herzerwärmende" Erkenntnisse und Einsichten, etwa zur Bedeutung der Mathematik oder zur Entropie. Was die Textsammlung den Rezensenten aber vor allem lehrt: dass wir fast nichts wissen können. Die Grenze … mehr

Rezensentin Katharina Rudolph lobt das Buch über die Frauen und Picasso, das ihre frühere FAZ-Kollegin Rose-Maria Gropp vorlegt, als feministischen Ansatz zu verstehen, was Picassos Verhalten für seine Partnerinnen bedeutete. Dass Gropp gut recherchiert, nicht moralisiert und Picassos künstlerische Bedeutung nicht infrage stellt, gefällt Rudolph gut. Anekdotisch und kenntnisreich breitet die Autorin die Lebensläufe von Dora Maar, Francoise Gilot und all den anderen Frauen an Picassos Seite aus und verfolgt … mehr

Das Buch der Kulturwissenschaftlerin Birgit Schneider leidet unter einer "Begriffs- und Kategorienunklarheit", bedauert Rezensent Kai Spanke. Schneider sucht nach neuen narrativen Formen, mit denen man den Klimawandel in Worte fassen kann, berichtet der Kritiker. Die eigentlich "hervorragend informierte" und "mit Zahlen bewaffnete" Forscherin argumentiert einerseits auf wissenschaftlicher Ebene, so Spanke, wenn sie beispielsweise klare Begriffsdefinitionen fordert. Andererseits plädiert sie stark dafür, emotionalen und subjektiven Kategorien auch ihren Platz im Diskurs zu geben, was der Rezensent … mehr

Rezensent Hannes Hintermeier taucht mit diesem Band in die Lebensgeschichte von Franz von Bayern ein, dessen Memoiren hier vorliegen. Entstanden ist das Buch aus Gesprächen mit der Historikerin Marita Krauss und so auch im "Duktus gesprochener Sprache" verfasst, teilt der Rezensent mit. Man liest hier Einiges, dass den meisten Lesern wenig bekannt sein dürfte über das Oberhaupt des Hauses Wittelsbach, der ehemaligen Herrscherfamilie des Königreichs Bayern, so der Kritiker. Beispielsweise, dass Franz … mehr

Man kann nicht alle Probleme Jugendlicher auf die Pubertät schieben, liest Rezensent Fritjof Küchemann angeregt bei Tamara Bach: Ihr Buch spielt während einer einzigen Urlaubswoche, die die 13-jährige Ari mit ihren Eltern in Griechenland verbringt, die aufdeckt, dass die Eltern ziemlich mit sich selbst beschäftigt sind und gar nicht mitbekommen, was das mit ihrer Tochter macht. Die fühlt sich von ihnen vernachlässigt und gleichzeitig so, als stünde sie ständig unter … mehr

Ein Junge wird in der Schule gemobbt und versucht, sich unsichtbar zu machen, erklärt Rezensentin Elisa Schüler die Prämisse von Eloy Morenos erstem auf Deutsch erscheinenden Roman: Die Überlebensstrategie, aus dem Blickfeld aller zu verschwinden, abzutauchen, um nicht mehr gemobbt zu werden, regt zu der Frage an, wie es dazu kommen kann. Und zu der Erkenntnis, dass dem Jungen den vermeintlichen Gefallen zu tun, nicht hinzuschauen, ihm noch mehr schadet, … mehr

Was mit den Socken passiert, die in der Waschmaschine verloren gehen, lernt Rezensentin Lena Bopp bei der polnischen Autorin Justyna Bednarek: Zehn Socken wagen den Ausbruch ins Freie, weil sie von sich von stinkender Wäsche belästigt oder von weniger hübschen Stoffen gemobbt fühlen, und erleben auf ihren Abenteuern ganz grundsätzliche Fragen um Liebe, Freundschaft und Sehnsucht. Es geht immer gut aus, verrät Bopp, aber mit der Message, dass jede verlorene … mehr

Rezensent Peter Neumann stellt sich mit Pija Lindenbaum die Frage, wie soziale Gerechtigkeit (nicht) aussehen kann: Ihr Bilderbuch nimmt ein Internat in den Blick, in dem die Kinder von der drakonisch regierenden "Schäfin" in zwei Hälften eingeteilt werden. Die "Ringelblumen" dürfen Kind sein, spielen, sich die Zeit vertreiben, ganz wie sie wollen, erklärt Neumann, während die "Primeln" dafür sorgen müssen, dass alles seinen gewohnten Gang nimmt, es wollen Kartoffeln geschält … mehr

In den Sommerferien fährt Greta mit ihrer alleinerziehenden Mutter zu deren Freundin in ein norddeutsches Dorf, das zunächst idyllisch wirkt, aber doch seine rassistische Seite enthüllt, beschreibt Kritiker Steffen Gnam den Einstieg seine Lektüre von Sigrid Zeevaerts Jugendroman. Besagte Freundin hat nämlich zwei schwarze Kinder, mit denen sie aus Kenia wieder nach Deutschland gekommen ist, weil sie sich dort ausgegrenzt gefühlt hat, erklärt er, jetzt sind es Jamila und Jonah, … mehr

Nicht nur für Kinder, sondern auch für Kunstinteressierte empfiehlt Rezensent Jan Drees das Wimmelbuch von Judith Homoki und Martin Haake: Es zeigt ihm Küstenorte von Dakar bis zur französischen Riviera, Fischer, Seeleute und Meeresungeheuer, stets nicht nur als Sehnsuchtsorte und -projektionen, sondern auch in der drohenden Gefahr des Klimawandels oder den problematischen kolonialistischen Bestrebungen. Bei den Illustrationen fühlt sich Drees an angloamerikanische Publikationen erinnert, für die der Künstler Martin Haake … mehr

Einen "Glücksfall" nennt Rezensent Wolfgang Schneider die zwölf von Ingrid Lausund verfassten und unter der Regie von Bjarne Mädel vertonten Monologe mit Sprechern wie Matthias Brandt und Angelika Richter. Es geht um Alltags- und Wohnsituationen, erklärt Schneider anhand einiger Beispiele, darum, dass man Wohnungen oft renovieren kann, Beziehungen eher nicht, dass hinter der Fassade, wörtlich wie im übertragenen Sinne, oft einiges anders ist. Dass alle Sprecherinnen den unterschiedlichen Texten ein … mehr

Die palästinensische Autorin Ibitsam Azem hat ihren Roman bereits vor zehn Jahren auf Arabisch veröffentlicht, weiß Rezensent Moritz Baumstieger. Dass er beim Erscheinen der deutschen Übersetzung nicht an Brisanz verloren hat, kann Baumstieger nicht wirklich freuen: Azem denkt in ihrem Buch das plötzliche Verschwinden aller Palästinenser aus Israel und den besetzten Gebieten durch. Das jüdische Israel ist verunsichert, geschockt und erfreut zugleich, erzählt der Rezensent, die einen fragen sich vielleicht,

Rezensent Alex Rühle schätzt den indisch-britischen Autor Pankaj Mishra als wichtigen Essayisten in den Diskussionen um globale Ungerechtigkeiten. In Mishras erstem Roman "Goldschakal" findet Rühle ebenfalls viele Thesen, aber das ist das einzig Positive, was er darüber zu sagen hat. Oberflächlich, hölzern und konstruiert findet Rühle die Geschichte um drei Freunde, die sich aus ärmsten Verhältnisse hocharbeiten: Das Finanzgenie wird Milliardär, der Intellektuelle ein abgehobener Glamourjournalist, der dritte ein vorbildlicher … mehr

Sehr gern schlendert Rezensentin Elke Schlinsog mit Joachim Sartorius durch das sizilianische Syrakus. Schon lange ist der teilweise in Italien wohnhafte Autor Fan der Stadt, und in seiner literarischen Huldigung umarmt er einfach alles an ihr, erkennt die Kritikerin. Die Bewohner des gegenwärtigen Syrakus stellt er in exemplarischen Porträts vor und auch Syrakus-Fans der Vergangenheit, von Pindar bis Ernst Jünger, finden Erwähnung, so Schlinsog. Sartorius' liebendes Auge übersieht zwar gewisse … mehr

Gebannt liest Rezensent Oliver Pfohlmann die Briefe zwischen den beiden jüdischen Wiener Schriftstellern Stefan Zweig und Felix Salten voll "bedrückender Eindringlichkeit." Dreieinhalb Jahrzehnte umfassen die 81 Briefe und Postkarten, die von kulturvermittelnden Themen hin zu intensiveren Gesprächen gehen, besonders, als der Faschismus Auftrieb gewinnt und sich die beiden entscheiden müssen, ob sie fliehen oder nicht, lernt Pfohlmann, Zweig ist vorsichtiger, Salten bleibt zunächst in Österreich. Dort wird er Ohrenzeuge eines brutalen … mehr

"Wie ein Jazzkomponist" spielt Demian Lienhard mit den unterschiedlichen Ebenen seines Romans, bewundert Rezensent Helmut Böttiger. Dessen Thema sei so "spektakulär" wie "skurril": Für ihren englischen Propaganda-Sender engagierten die Nazis die besten Jazz-Musiker aus Deutschland, lesen wir, einige von ihnen waren jüdisch oder homosexuell. Zu diesem realhistorischen Stoff hat der Autor den Schweizer Schriftsteller Fritz Mahler hinzuerfunden, so der Kritiker, der einen Roman über die Jazz-Band schreiben soll. Der Text "prickelt" und … mehr

Rezensent Nico Bleutge gibt sich der ruhig dahinfließenden Prosa von Esther Kinsky hin. Dass der Text über eine Kinoenthusiastin, die in Budapest ein altes Lichtspielhaus wieder zum Leben erwecken möchte, nicht mit Sensationen lockt, sondern mit Gleichmäßigkeit im Satzbau und gemessener Erinnerung, gefällt Bleutge. Auch das Assoziative findet er gut. Wenn Kinsky mitunter allzu tief in die Metaphernkiste greift und alles, Landschaft, Kinderblick, Erzählerin, zum Filmrequisit wird, drückt Bleutge gern … mehr

John Irving zieht mit seinem wohl letzten Roman Bilanz aus seinem bisherigen Schaffen, stellt Rezensentin Irene Binal fest. Dabei ist alles, was Irving-Fans glücklich macht: skurrile Figuren, derbe Komik und der typische "Irving-Charme", lesen wir. Vorrangig geht es um Adam, der nach seinem Vater sucht, um ihn herum ein Reigen an witzigen und bizarren Persönlichkeiten: vom dementen Großvater, der gerne in die Waden anderer Leute beißt, über die sexpositive Cousine … mehr

Nur kurz bespricht die Ostasienkundlerin Julia C. Schneider diesen Band, den sie als wertvolle Einführung in das Thema beschreibt. Unter anderem begrüßt sie, dass Bölinger die aktuelle Verfolgung der Uiguren und anderer Minderheiten in West-China in den historischen Kontext stellt: Seit je seien die nicht-chinesischen Minderheiten dem Rassismus der zentralchinesischen Politik, aber auch der Bevölkerung ausgesetzt. Als Erkenntnis nimmt sie auch mit, dass die Zentralregierung immer mehr Lager in Xinjiang … mehr

Mit "hochprozentiger Nostalgie" haben wir es laut Rezensent Oliver Jungen in Robert Seethalers Buch zu tun. In das Café von Robert Simon, dem Wirt eines Wiener Cafés und Protagonist dieses Buches, stolpern nämlich die vielen melancholischen Gestalten, die vom Aufbruch des Wiens der sechziger Jahren nicht profitieren, fasst Junge zusammen. Simon versucht diesen individuell zu helfen. Dabei kommen die Figuren allerdings manchmal nicht über das Klischee des strebsamen aber glücklosen "Proletariers" … mehr

Die titelgebenden "Empusen", so erfährt man aus Ilma Rakusas Rezension, sind "mythische Angstgöttinnen und sich von Männerblut ernährende Schreckgeister". Sie sind die eigentliche Erzählinstanz des neuen Romans von Tokarczuk und präsentieren uns unter anderem eine Parodie auf Thomas Manns "Zauberberg", so die Rezensentin. Gerne folgt sie den Irrungen und Wirrungen des Studenten Mieczyslaw Wojnicz, der sich vor dem Ersten Weltkrieg zwar nicht in Davos, aber immerhin in Görbersdorf von seiner Tuberkulose heilen lassen will. Mannsche Erzählelemente sind … mehr

Einen begeisterten Überblick über den neuen Lyrikband der belarussischen Dichterin Volha Hapeyeva gibt die Kritikerin Kerstin Holm: Hapeyeva hat in den letzten zwei Jahren einiges veröffentlicht, weiß sie, jetzt gibt es von der Dichterin und Oppositionellen Gedichte aus zwanzig Jahren zu lesen. Formal, verrät Holm, gibt es viele freie Verse, keine Versalien und kaum Satzzeichen festzustellen, auf inhaltlicher Ebene werden beispielsweise die Proteste gegen die gefälschten Wahlen 2020 verhandelt, die … mehr

Gerne lässt sich Rezensentin Brigitte Werneburg von Barbara Vinken auf einen Streifzug durch das subversive, Geschlechtergrenzen sprengende Potenzial von Opern mitnehmen: Trotz anfänglicher Skepsis kann die Autorin sie davon überzeugen, dass es gerade die so oft als konservativ verschriene Oper ist, die das Spiel mit Geschlechterrollen erlaubt. Anhand von Beispielen von Mozart bis Strauss zeigt sie ihr zudem, wie sehr es Männlichkeitsbilder schaffen, sich auf der Bühne lächerlich zu machen … mehr

Nur dreieinhalb Zeilen genügen, um Rezensentin Sylvia Staude zu verzaubern. Der einzige Roman der Lyrikerin Gwendolyn Brooks ist atmosphärisch wie assoziativ ungeheuer dicht, schwärmt die Kritikerin und ist sehr froh, dass die von Andrea Ott "famos" übersetzte Lebensgeschichte von Maud Martha - die der Biografie von Brooks recht ähnlich ist - endlich ins Deutsche übersetzt wurde. Brooks, die im Jahr 2000 verstorben ist, ist nicht ohne Grund 1950 als erste … mehr

Rezensent Jasper von Altenbockum hat eine Empfehlung zum Thema realistische Asylpolitik parat: Ruud Koopmans erläutert ihm die Ursachen für die komplizierte, widersprüchliche Asylpolitik der EU mit ihren fatalen Konsequenzen und schlägt eine "realistische Utopie" vor, die exterritoriale Asylverfahren beinhaltet und damit nicht für weniger Zustrom, aber für mehr Struktur sorgen soll. Auch ein "Tauschgeschäft für Wirtschaftsflüchtlinge" wird verhandelt, von dem Altenbockum hofft, dass es die Zahl der Mittelmeer-Toten reduzieren kann. Nicht zuletzt finden … mehr

140 Seiten ist der Essay der bekannten Philosophin lang, Robert Putzbach widmet ihm eine recht ausführliche Besprechung, aber so recht kann er damit nichts anfangen. Als Hauptthese nimmt er mit, dass die Autorin bei den Deutschen ein "ängstliches Denken" diagnostiziert, das aus der "Tiefe des Abgrunds der eigenen Schuld" herkommt: Die Deutschen, ob Opfer oder Täter, mussten nach dem Krieg zusammenleben, und wenn man von Neuem eine Gemeinschaft entwickeln wollte, musste man eine Sprache pflegen, die … mehr

An Rumpelstilzchen fühlt sich Rezensentin Tina Hartmann bei der Lektüre von A.L. Kennedys neuem Roman erinnert, der von Anna, Lehrerin an einer Londoner primary school, erzählt, die anlässlich eines Gerichtsprozesses auf ihre Vergangenheit trifft. Einst war sie Mitglied in einem subversiven Orchester, verrät Hartmann, wo sie in Kontakt mit jenem Rumpelstilzchen kommt, einem scheinbaren Freund, der nun die illegalen Aktionen seiner ehemaligen Freunde vor der Anklagebank aus ausbreitet. Die Kritikerin … mehr

Rezensentin Sonja Asal entgeht nicht, dass Valentin Groebner mit seinem Langessay über das Hantieren mit Schönem ein bestimmtes Publikum anspricht, eines, das sich an der eigenen Kultiviertheit erfreut, wenn es Tee aus erlesenem Porzellan trinkt oder teure Designobjekte einsam arrangiert. So ratlos Asal der Titel des Bandes zunächst zurücklässt, so aufschlussreich findet sie Groebners kulturhistorische Expertise, wenn er das Magische des schönen Nippes herauspräpariert und seine Vereinnahmung durch die Konsumästhetik … mehr

Rezensent Lothar Müller bestaunt die Konsequenz, mit der Mathias Enard in seinem Debüt von 2003 die Psychologie eines Snipers ins Zentrum stellt. Wie der Ich-Erzähler über die Einheit von Waffe und Mensch philosophiert, wenn er im Morgengrauen den Abzug betätigt, ist vielleicht nicht jedermanns Sache, ahnt Müller. Dass aber Enard nicht im Pulp-Fiction-Style erzählt und auch nicht ideologisch wird, sondern ungerührt in der "Maske des Memoirs" bleibt, findet Müller bestechend. Der Lust … mehr

Als erzählerisches "Glanzstück" bezeichnet Rezensentin Rose-Maria Gropp Martin Suters neuesten Roman über einen alternden, sterbenden Zürcher, der jahrzehntelang Politik und Gesellschaft dirigiert hat. Jetzt, verrät sie, sucht und findet er einen Nachlassverwalter, dessen Aufgabe zunächst sein soll, Unangenehmes zur Person Peter Stotz zu vernichten und der Nachwelt ein schöngefärbtes Bild zu präsentieren. Die eigentliche Aufgabe scheint aber darin zu liegen, dem Sterbenden zuzuhören, wenn er über seine große Liebe Melody … mehr

Zwei Mädchen, später Frauen - die eine weiß, die andere schwarz - begegnen sich im Kinderheim und stellen fest, dass sie mehr gemeinsam haben, als sie voneinander unterscheidet - davon handelt Toni Morrisons einzige Erzählung, fasst Rezensentin Judith von Sternburg zusammen. Bis zum Schluss weiß die Leserin nicht, welche der beiden Frauen erzählt, wer wer ist. Und genau das, so die Rezensentin, ist der Clou dieser Geschichte, das Experiment - … mehr

Der ehemalige deutsche Botschafter in Warschau Rolf Nikel liefert hier keine Memoiren, sondern eine Analyse der deutsch-polnischen Beziehungen, leitet der rezensierende Historiker Hermann Wentker ein, der diesen Ansatz aber sehr begrüßt. Wir haben es hier mit zwei Sündern zu tun: Klar kritisiert Nikel die jetzige populistische Kaczynski-Regierung und spricht etwa die polnischen Reaparationsforderungen an, die er als einen taktischen Schachzug ansehe. Aber die Kaczynski-Regierung macht natürlich einen Punkt, wenn sie … mehr

Eine äußerst erstaunliche italienische Dichterin darf Kritikerin Katharina Teutsch dank Christine Wunnicke kennenlernen: Margherita Costa war, neben der Schriftstellerei, unter anderem Nonne, Prostituierte, Mutter und Geliebte eines kalabrischen Auftragsmörders, wovon auch ihr umfangreiches und ebenso breit gefächertes Werk erzählt. Christine Wunnicke, die Teutsch schon als Freundin obskurer Literaturgestalten kennt, hat eine Auswahl getroffen und übersetzt, aus Gedichten, die vom Sex mit nur gering bestückten Zwergen handeln und vom Unsichtbarwerden älterer … mehr

Mit großem Interesse liest der Politologe Frank Decker diese Biografie eines weithin vergessenen CDU-Politikers, der zu Unrecht nur als Scharfmacher in Erinnerung sei. Er betont allerdings auch, dass es sich nicht um eine klassische Biografie handele, sondern dass es den Autoren darum gehe, ein als tendenziös empfundenes Bild Dreggers gerade zu rücken. Polemisch trat er sehr wohl auf, erzählt Decker, aber die Autoren zeigten auch, dass er ein fairer Politiker … mehr

Rezensent Tobias Lehmkuhl nimmt noch einmal Michael Lentz' Frankfurter Poetikvorlesungen zur Hand, in der Hoffnung, dadurch ein wenig Licht ins verwirrende Dunkel des neuen sprachspielerisch wie -künstlerisch herausfordernden Gedichtband zu bringen. So kann er sich mithilfe der Vorlesungen immerhin die Anspielungen des Gedichtes "adoneus helmut" auf Deutschland in den 70ern, die RAF und Helmut Schmidt erklären, die viel mit Anagrammen arbeiten. Damit begibt sich Lentz in die Tradition von Dichtern wie … mehr

Rezensent Andrian Kreye annonciert ein neues "Standardwerk" zur Geschichte der Ekstase mit diesem Buch der beiden Journalisten Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter. Leicht zu lesen ist das materialreiche Buch zwar nicht, warnt der Kritiker vor. Belohnt wird er allerdings nicht nur mit einem kenntnisreichen Streifzug vom griechischen Gott Dionysos bis zum Opioidrausch in den USA. Vielmehr erfährt er hier auch, dass die "Ekstasen der Gegenwart" durch Investoren wie Peter Thiel, die in … mehr

Literatur, Philosophie, Psychologie, Neurologie, Kunst und Kriminologie - es gibt weniges, für das sich Siri Hustvedt nicht interessiert, weiß Rezensentin Anna Vollmer. Diese Bandbreite bildet sich auch in ihrer Essay-Sammlung ab. Doch wenngleich die Rezensentin Hustvedt in deren Lob eines breit gestreuten Interesses zustimmt, hätte sie sich doch etwas mehr Einheitlichkeit und Ordnung für den vorliegenden Band gewünscht. Wenn Hustvedt etwa gerade noch ihre Familiengeschichte umrissen hat, um schließlich über … mehr

Rezensent Helmut Böttiger entdeckt durch Jan Philipp Reemtsmas Biografie über Christoph Martin Wieland nicht nur den Dichter selbst wieder, sondern erhält auch eine neue Perspektive auf die "große Zeit Weimars". Erfrischend findet der Kritiker, dass Goethe hier einmal nicht die Hauptrolle spielt, sondern der heute zu Unrecht vernachlässigte Wieland, der dem "Dichterfürsten" eigentlich überhaupt erst den Weg geebnet hat, wie wir lesen. Böttiger lässt sich gerne von Reemtsmas Begeisterung für Wielands sprachliche … mehr

Rezensent Otfried Höffe, Philosoph und selbst Autor eines Plädoyers "Für ein Europa der Bürger", kann der früheren Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff nur beipflichten, die sich für mehr direkte Demokratie ausspricht. Wenn sie in ihrem Buch die vielen Vorbehalte widerlegt, dann liefert sie gute Argumente, versichert Höffe. Auch das unfair durchgeführte Brexit-Referendum kann dann nicht als Gegenargument herhalten, denn Lübbe-Wolff fordert natürlich mit Volksabstimmungen auch faire Vorbereitungen wie etwa in der Schweiz, wo ein "Abstimmungsbuechli" jeweils … mehr

Rezensent Christian Geyer liest Martha Nussbaums Philosophie des Tierwohls als "virtuelle Verfassung" und Orientierungshilfe für Staaten und Nationen. Dass Nussbaum sich anthropomorphen Vokabulars ("Würde"!) bedient, ficht die Autorin nicht an, stellt Geyer fest. Wie sonst sollen wir uns dem Thema nähern, fragt Nussbaum. Tiefgründig, auch eigensinnig und zugleich einfach findet Geyer Nussbaums Konzept, das sinnigerweise bei den ihren Fähigkeiten entsprechenden Bedürfnissen der Tiere ansetzt.

Ganz ergriffen ist Rezensent Jan Wiele von den "Erinnerungen mit großem A", die der Büchnerpreisträger F. C. Delius noch kurz vor seinem Tod vergangenen Mai fertiggestellt hat. Wiele führt mit einer zunächst simpel scheinenden Anekdote zum "lieblichen Maientag" ein und erklärt daran exemplarisch, was so besonders ist an den Notaten des Autors. Er kommentiere hier nicht nur das Wetter, sondern auch sich selbst, hat er doch zum Wetter als Kunstmittel in der Literatur promoviert. … mehr

Was Rezensentin Elena Witzeck angeregt plaudernd über dieses Buch berichtet, liest sich, als betrachte sie es als ein nützliches Vademecum durch aktuelle Theorien über die Liebe. Die Wissenschaft spielt dabei in diesem Buch eine wichtige Rolle, berichtet die Rezensentin, denn die Buchautorin ist Wissenschaftsjournalistin und Biologin. Hormone spielen also ganz klar eine wichtige Rolle, und dies sowohl bei den Präriewühlmäusen (eine der wenigen Säugetierarten, die in festen Beziehungen leben, so … mehr

Rezensent Helmut Mayer findet die Erwartungen, die der Philosoph Thomas Metzinger an die Wirkung von bewusstseinserweiternden Substanzen und Praktiken knüpft, ein klein wenig überzogen. In seinem Buch verspricht sich Metzinger laut dem Kritiker vom "ekstatischen Ich-Verlust" die tiefgreifende Selbsterkenntnis, derer es zur Überwindung der Krise von Planet und Gesellschaft bedarf. Die Ekstase wird demnach zum quasi letzten Mittel, den Menschen zu vernünftigem Handeln zu bewegen, so Mayer, unter anderem weil dieser … mehr