In J. M. Coetzees jüngstem Roman hat der ehemalige Fotograf Paul Rayment einen Verkehrsunfall, er verliert ein Bein und sieht sich plötzlich mit der "Einsamkeit vor dem Tod" konfrontiert, fasst Jörg Plath zusammen. Wer sich durch diese Inhaltsangabe abgeschreckt fühlt, sollte sich daran erinnern, so der Rezensent, dass der südafrikanische Autor den Literaturnobelpreis "nicht ohne Grund" verliehen bekommen hat. Coetzee inszeniere in seinem "bisher reduziertesten" Buch ein "Kammerspiel", das sich um die "Motive dreht, mit denen der Autor sich seit langem beschäftige: Einsamkeit und Alter, Fürsorge und Liebe. Rayment verliebt sich nämlich in seine Pflegerin, eine verheiratete, dreißig Jahre jüngere Frau mit Kindern, und stürzt deren Familie mit finanziellen Angeboten in die Krise, so Plath weiter, der insbesondere die "umfassenden Erschütterungen", die aus den alltäglichen Widrigkeiten für den Behinderten erwachsen, beeindruckend dargestellt sieht. Coetzee beschreibt in "lakonischer" und präziser Sprache und enthält sich einer wohlfeilen Dramatisierung der Geschehnisse, um mit viel Aufmerksamkeit in "Zeitlupe" einige wenige Tage zu beschreiben, in denen sich das Leben Rayments "zum zweiten Mal entscheidet", lobt der Rezensent. Durch das überraschende Auftauchen von Elizabeth Costello, einer Figur, die man aus "Das Leben der Tiere" von 2004 bereits kennt, gewinnt der Roman eine philosophische Tiefe, die sich aber nirgends zum Seminar auswächst, weil "der Schmerz über die Einsamkeit" immer beherrschendes Motiv bleibt, so Plath angetan. Nur auf den letzten fünfzig Seiten, gesteht der ansonsten völlig begeisterte Rezensent, zieht sich der Roman ein bisschen in die Länge, ansonsten habe man es hier mit einem "schlackenlosen Alterswerk" zu tun, das sich durch "Wärme" und "sicheres Rhythmusgefühl" auszeichnet.