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Notizen zur Herbstbeilage der Welt im Oktober erschienen am 15.10.2022

7. Dezember 2022. Im Herbst erscheinen die Buchmessenbeilagen der großen Zeitungen. Der Perlentaucher wertet sie aus und verfasst zu jeder Kritik in diesen Beilagen eine resümierende Notiz. Auch auf eichendorff21 können wir so einen Überblick über jene Bücher geben, die von den Zeitungen im Herbst als besonders wichtig erachtet werden. Hier die Literaturbeilage der WELT für Herbst 2022.

Susanne Billig ärgert sich, dass Frans de Waal seinen Buch mit einem Stereotyp von männlicher Dominanz und weiblicher Domestizität beginnt - wenn auch bei Primaten. Dass er das aber schnell wieder verwirft, gefällt ihr, der Autor zeigt auf, wie Sexualität in einer Gruppe Orang Utans ohne Scheu und Scham gelebt wird. Dies begleite der Autor durch sein Changieren zwischen Forschung und Fun, Anekdoten kämen nicht zu kurz und sorgten für … mehr

Rezensent Oliver Pfohlmann liest diesen Essay des Schweizer Büchnerpreisträgers Lukas Bärfuss mit gemischten Gefühlen. Interessiert folgt er Bärfuss, wenn dieser ihm erstaunlich persönlich von seinem Vater erzählt, einem kleinkriminellen Obdachlosen, von dem Bärfuss nicht mehr bleibt als eine Bananenkiste mit Schuldscheinen und Pfändungsbriefen. Bemerkenswert scheint dem Rezensenten auch, wie der Autor die eigene Lebensgeschichte mit Gedanken über Armut, Familie und Herkunft verknüpft. Zunehmend gerät Pfohlmann der schmale Essay aber durcheinander, … mehr

Rezensentin Ursula März spürt den Bezug zur Gegenwart in Leila Slimanis zweitem Band ihrer Familiensaga. Die Erlebnisse einer Elsässerin im Marokko des Jahres 1968 geben laut März den Blick frei auf die kulturellen Verwerfungen der Epoche zwischen Moderne und Tradition. Mit der Tochter der im ersten Band eingeführten Figur rückt das bürgerliche Aufsteigerglück der Eltern in den Hintergrund und Ideen der Revolution werden thematisiert, erläutert März. Elemente des Familienromans wie … mehr

Knapp, aber nicht ohne Sympathie schreibt Marie-Luise Goldmann über den neuen, erneut autobiografisch geprägten Roman von Oliver Polak. In zwanzig Kapiteln erzählt ihr der Comedian hier von trostlosen Dating-Versuchen per App in verschiedenen Städten, von Leere, bizarren Dialogen und Sex-Dates. Mitunter amüsiert sich die Rezensentin, etwa wenn der Protagonist nach Tipps für gute Comedians gefragt wird, nachdem er gerade informierte, selbst Comedian zu sein. Spannend ist manche Episode auch, philosophische … mehr

Rezensent Magnus Klaue ist doch ganz schön bewegt von dieser Autobiografie, die keine ist. Irmgard Keun, It-Girl der Literatur der Weimarer Republik, die den weiblichen Emanzipationsroman erfand, nach dem Krieg aber nicht mehr an ihre Erfolge anknüpfen konnte und der Depression und Alkoholsucht verfiel, konnte das neu entdeckte Interesse an ihr Anfang der Siebziger Jahre nicht ganz ernst nehmen. Sie fing an Bekannte anzurufen und ihnen aus ihrer neuen Autobiografie … mehr

Rezensent Roman Bucheli empfiehlt Jeremy Adlers Goethe-Biografie. Allein schon wie Adler die Werther-Begeisterung Napoleons und die Begegnung zwischen Goethe und dem französischen Kaiser in Erfurt schildert, scheint Bucheli die Lektüre wert. Wie der britische Germanist seine Monografie um Napoleons Feldzug von 1806 herum ordnet, findet Bucheli ebenfalls bemerkenswert. Napoleons machtpolitischer und Goethes kulturpolitischer Beitrag zur Erfindung der Moderne werden so deutlich, meint er.

In spannungsreichen, schwebenden Assoziationsketten erzählt Rachel Kushner aus ihrem Leben, verrät Rezensent Jörg Häntzschel über den Essayband "Harte Leute", dessen Protagonistin er ebenfalls als eine solche Person charakterisiert. Er staunt darüber, wie sie in allen Texten nur ein einziges Mal weint, bei einem Motorradunfall, obwohl sie einiges Wildes berichtet: Von der Hippie-Szene in San Francisco über ein Jerusalemer Flüchtlingslager bis hin zu Begegnungen mit diversen Akteur*innen aus dem Kulturbereich - nicht … mehr

Rezensentin Carola Ebeling freut sich, eines der wenigen veröffentlichten Werke von Tillie Olsen nun auf Deutsch entdecken zu können. Die Schriftstellerin, von der zeitgleich auch der Essayband "Was fehlt" auf Deutsch erschienen ist, setzte sich in ihrer Literatur, aber auch als Lehrende und Aktivistin für marginalisierte Gruppen, Mehrstimmigkeit und Intersektionalität ein, wie Ebeling erklärt. Spürbar werde das auch in den vier Kurzgeschichten des Erzählbands, in denen Olsen von einer russisch-jüdischen Einwandererfamilie … mehr

Was hat es mit den Kassandrarufen um die gespaltene Gesellschaft auf sich? Dieser Frage gehen FAZ-Feuilletonist Jürgen Kaube und Soziologe Kieserling nach - mit für Rezensent Thomas Ribi interessanten Ergebnissen. So erfährt er von den Autoren, dass die drohende Spaltung von politischen Entscheidungsträger*innen dazu genutzt werde, Entscheidungen nicht zu rechtfertigen, sondern zu verschieben, wolle man die Stabilität der Gesellschaft nicht gefährden. Doch das sei für die Autoren überwiegend ein "Schreckgespenst", … mehr

Rezensent Günther Nonnemacher schätzt an Ian Kershaws Buch gerade den Umstand, dass es sich zwischen Politikerbiografie und historischer Darstellung nicht entscheiden möchte. So kann der Autor herausarbeiten, wie unterschiedlich die Umstände und die ausgewählten politischen Persönlichkeiten, von Stalin über Gorbatschow, Thatcher und Tito bis Kohl und de Gaulle, wirklich waren. Für den Leser wirft das wertvolle Einblicke in die Geschichte des 20. Jahrhunderts ab, versichert Nonnenmacher. Solide scheint ihm, wie … mehr

Nach sechszehnjähriger Abstinenz hat Cormac McCarthy gleich zwei neue Bücher vorgelegt, die zusammengehören. In beiden geht es um das Geschwisterpaar Alicia und Robert Western. "Der Passagier" knüpft für Felix Stephan genau da an, wo vorherige Romane McCarthys aufgehört haben. Robert soll als Taucher einen mysteriösen Flugzeugabsturz untersuchen, erfahren wir, bei dieser Arbeit ereignet sich allerhand Bedrohliches und auch der Protagonist scheint in die Schusslinie zu geraten. Der Rezensent ist froh, dass … mehr

Rezensentin Judith von Sternburg empfiehlt Annie Erneaux' vorübergehend vergriffenes, nun wieder erhältliches Buch nicht nur als "wahrliches Novemberbuch". Es geht darin um die mit sechs Jahren verstorbene Schwester Ernaux', von der sie lange nichts wusste; verfasst ist es in Form eines Briefs an diese. Neben den Schilderungen des Schweigens der Familie, die die Kritikerin aus anderen Büchern Ernaux' bereits gut kennt, schätzt sie dieses Mal besonders die Sparsamkeit und Genauigkeit, mit der die Autorin Jahre später zu formulieren vermöge, was sie damals gegenüber ihrer Schwester empfand - weder Liebe noch Hass, sondern … mehr

Ein Kunstroman ist "Taube und Wildente", meint Rezensent Paul Jandl. Protagonist Ruprecht Dalandt hat eine Eingebung bezüglich eines Bildes, das sich ihm plötzlich als geniales Kunstwerk offenbart, erfahren wir, als eines, dessen Verkauf so einige figurative und tatsächliche Löcher stopfen könnte. Form, das Anschauliche, ist für Daland wie für Mosebach das Wesentliche an Kunst. Da gehts schon ins Metaphysische, meint Jandl leicht spöttisch. Wo die Form zerbricht, beginnt für beide "die Hölle des Unglaubens". Am … mehr

Wollte man die Kritik des Altphilologen Jonas Grethlein in einem Satz zusammenfassen, könnte man sagen: Jünger ist unzeitgemäß, aber alles andere als unaktuell. Man muss sich erst mal hinein lesen. Der von Grethlein nur kurz skizzierte editorische Aufwand der Ausgabe mag dabei helfen: Dann lernt man einerseits, dass Jünger von Ausgabe zu Ausgabe seine Tagebücher immer wieder stilistisch geschliffen hat (und politisch Unopportunes in späteren Ausgaben wegließ). Und andererseits stellt … mehr

Für den postkolonialen Leser ist Anthony Burgess' nun vollständig auf Deutsch veröffentlichte Malaya-Trilogie vermutlich nichts, räumt Rezensent Matthias Heine ein. Zu viel Satire, nicht nur auf Kosten von Weißen, meint er. Alle anderen werden vermutlich aber ihre Freude haben an den vielen Figuren und Intrigen, die die verschiedenen Ethnien unter- und gegeneinander spinnen. Vor allem aber ist es der Mix aus Warmherzigkeit und der Witz, mit dem Burgess seine Helden … mehr