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Notizen zur Herbstbeilage der SZ erschienen am 14.10.2023

30. Oktober 2023. Im Herbst erscheinen die Buchmessenbeilagen der großen Zeitungen. Der Perlentaucher wertet sie aus und verfasst zu jeder Kritik in diesen Beilagen eine resümierende Notiz. Auch auf eichendorff21 können wir so einen Überblick über jene Bücher geben, die von den Zeitungen im Herbst als besonders wichtig erachtet werden. Hier die Literaturbeilage der SZ für Herbst 2022.

Erhellend, was Florian Bieber über die politischen Irrungen und Wirrungen auf dem Balkan nach dem Zerfall Jugoslawiens im Jahr 1991 schreibt, so Rezensent Tobias Zick. Lediglich das "Pulverfass" des Titels liest der Rezensent nicht so gern, ansonsten habe Bieber, seines Zeichens Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Uni Graz, gut dargestellt, wie totalitäre Mächte in der Region verstärkt Einfluss gewinnen konnten. Zunächst wollte Russland mit Miloševićs Serben nicht viel … mehr

Die Stasi gilt vielen immer noch als eine der historisch erfolgreichsten Spionageorganisationen, insbesondere was Spitzeleien im Ausland angeht, weiß Rezensent Christoph Koopmann. Das Buch des Historikers Michael Wala nun räume mit dieser Legende zumindest teilweise auf. Der ehemalige Kontrahent der Stasi, der bundesdeutsche Inlandsnachrichtendienst hat Wala Akteneinsicht ermöglicht, so Koopmann, und das entstandene Buch zeigt, dass die DDR-Agenten keineswegs immer mit ihren Aktivitäten durchkamen. So zeichnet Wala laut Koopmann Strategien … mehr

Rezensent Oliver Weber hält das Buch des Ideenhistorikers Anton Jäger für eine gute Einführung in die Dynamiken "hyperpolitischer Zustände". Darüber hinaus bietet der Band laut Weber leider zu wenig Tiefgang, wenn es darum geht dem Phänomen der Repolitisierung der Gesellschaft bei schwindenden Institutionen und Kanälen der Partizipation nachzuspüren. Auch nach Lösungen der Aporie fragt der Autor zu wenig, findet Weber. Bedauerlich, meint er, ist der Befund doch richtig und wichtig.

Rezensent Fritz Göttler findet, dass Michel Houellebecqs Roman in der Fassung als Graphic Novel mit den Zeichnungen von Louis Paillard gewinnt. Göttler gefallen die "entschlackte" Textversion über den Künstler Jed Martin und Houellebecq himself sowie Paillards "Bildblöcke" mit ihren unterschiedlichen Stilen und Techniken. Insgesamt ergibt das für Göttler ein "aufregendes neues Feeling" beim Lesen des "aberwitzigen" Romans, dessen Wendungen er noch immer verblüffend findet.

Vor allem für den akustischen Sinn ist dieses Bundle aus Buch und Hörspiel ein Genuss, hält Rezensent Florian Welle zu Michael Fehrs "Simeliberg" fest, das beim Verlag "Der gesunde Menschenversand" erschienen ist, der sich auf Spoken Word konzentriert. Die Geschichte geht auf die Gebrüder Grimm und ihre Geschichte von zwei sehr unterschiedlichen Brüdern zurück und spielt in einer unheimlichen Schweizer Berglandschaft, verrät Welle. Bäuerlicher Stoizismus trifft auf Esoterik, und das in einem … mehr

Kathrin Schrocke schreibt einen Coming-of-Age-Roman, der aus der Perspektive des 16-jährigen (weißen) Lenni erzählt, wie dessen Schule in ihrem Selbstbild als offen und kosmopolitisch als letztlich doch ziemlich rassistisch enttarnt wird, schildert Rezensentin Heike Nieder. Der neue Mitschüler Benjamin, der schwarz ist, möchte weder mit positiven Stereotypen wie der Vermutung "Du kannst doch bestimmt supergut tanzen!" bedacht werden noch mit dem N-Wort, resümiert Nieder, auch, wenn der Theaterlehrer für das Stück "King-Kong" den einzigen nicht-weißen … mehr

Demenz ist kein rein menschliches Phänomen, lernt Rezensent Siggi Seuß bei der Lektüre eines Kinderbuchs des Franzosen Mickael Brun-Arnaud, der sich als Psychologe mit dem Thema auskennt. Bei ihm ist es eine anthropomorphisierte Tiergesellschaft im Wald, bei der die Erkrankung auftritt: Ferdinand Maulwurf braucht Hilfe von seinen Tierkameraden, seine Erinnerungen werden löchrig, seine Frau Mathilde ist seit Langem verschollen und er weiß nicht wieso, hält Seuß fest, der Buchhändler Fuchs … mehr

Darüber, dass sich Groß (Paul Maar) und Klein (die zwölfjährige Laura Depperschmidt) dem Spaßgedicht "Dunkel war's, der Mond schien helle" angenommen und es weitergedichtet haben, kann sich Rezensent Cornelius Pollmer überschwänglich freuen. In Zeiten des drohenden Bedeutungsverlustes der Sprache findet er es schön, dass nun 34 Strophen des Gedichtes zusammengetragen wurden, in volkspoetischer Tradition ohne genaue Angabe zu den jeweiligen Verfassern. Gemein ist allen Versen die Hinwendung zur Paradoxie, die von den vergnügten Illustrationen von … mehr

Großen Spaß hat Rezensent Stefan Fischer mit dem Klangbuch von Justus Neumann und Julius Schwing: Der Inhalt ist ob seiner phantasmagorischen Qualitäten gar nicht so leicht zusammenzufassen, aber im Zentrum steht die alternde Ballerina Mariechen, die beim Tanzen auf einmal einem Krokodil gegenübersteht, das sie verschlingen will. In diesem "Land des hellen Wahnsinns", das Fischer an Alices Wunderland erinnert, steigt die Spannung, einige verrückte Handlungselemente tauchen auf: Clowns, die nach Alaska fliehen, besoffene … mehr

Einen aufschlussreichen Überblick über die Geschichte der türkischen Republik erhält Rezensent Ingo Arend bei Can Dündar, dem früheren Chefredakteur von "Cumhuriyet", seit 2016 im deutschen Exil, der ihm ein Land "zwischen Extremen" zeigt. Durchaus mit Bewunderung für den Staatsgründer Atatürk schreibt Dündar aber auch über dessen Versäumnisse, allen voran den Versuch einer Kulturrevolution von oben herab, der, so liest Arend, an der Gesellschaft vorbeigehen musste. So macht ihm der Autor klar, … mehr

Rezensent Gustav Seibt hat ebenso viel Spaß mit diesem Buch des Historikers Stefan Bollmann wie Einwände. Denn das, was Bollmann hier an Anekdoten aus der Münchner Boheme um 1900 zusammengetragen hat, erscheint dem Kritiker wie ein "rauschhaft vorüberflitzender" "Erzählteppich". Der Kritiker begegnet neben Größen wie Hedwig Pringsheim, Stefan George, Thomas und Katia Mann, Lovis Corinth oder Gabriele Münter Genies, Lebensreformern, Designern, Spiritisten oder Genderexperimentierern, erfreut sich an Klatsch und Tratsch und … mehr

Rezensentin Christiane Lutz lässt sich von der amerikanischen Professorin für Russische und Osteuropäische Studien Kristen G. Ghodsee zum Träumen von alternativen Wohn- und Gesellschaftsformen anregen. Im Wesentlichen geht es der Autorin um Kritik an einem Modell, dass die Kernfamilie aus Mutter, Vater, Kind zum Leben in einer Wohnung zwingt, wodurch patriarchalische Strukturen aufrecht erhalten werden, lesen wir. Dabei gab und gibt es zahlreiche alternative Wohn- und Familienmodelle, wie Ghodsee nicht … mehr

Rundum zufrieden ist Rezensent Julius Zimmermann mit der Biografie, die Tobias Lehmkuhl über Erich Kästner mit Fokus auf dessen Leben im Dritten Reich geschrieben hat. Dass sich der Autor ambivalent gegenüber dem Regime verhalten hat, ist kein Geheimnis, weiß Zimmermann, er ist froh, dass Lehmkuhl keine vorschnelle eindeutige Positionierung vornimmt, sondern anhand von 14 Anekdoten "verschiedene Lesarten Kästners" ermöglicht, die dafür sorgen, dass sich die LeserInnen ein eigenes Bild machen können. Dem … mehr

Etwas viel auf einmal packt Amitav Gosh schon in sein Buch, meint Rezensentin Katharina Döbler, die gleichwohl insgesamt beeindruckt scheint. Denn es gelingt dem Autor, erfahren wir, ausgehend von der kleinen Muskatnuss eine Globalgeschichte der letzten vier Jahrhunderte zu schreiben, die auf eine Unterjochung und Zerstörung der Menschheit und ihrer Lebensgrundlagen durch die westliche Zivilisation hinausläuft. Es beginnt, führt Döbler mit Gosh aus, mit niederländischen Kolonialmassakern im 17. Jahrhundert, eben … mehr

Über weite Strecken interessiert liest Rezensentin Marianna Lieder Jule Govrins Studie über die Ökonomisierung des Begehrens. Deren Grundthese ist laut Lieder, dass der Kapitalismus auch Intimität und Begehren in Waren verwandelt hat. Ganz neu ist diese Idee nicht, so die Rezensentin, die allerdings anmerkt, dass Govrin sich, im Gegensatz etwa zu Eva Illouz, eher auf Michel Foucault und seine Diskursanalyse beruft als auf die Frankfurter Schule, was sich unter anderem … mehr

Auch wenn Rezensent Otto Langels in diesem Buch des Historikers Jörn Leonhard leider kein Patentrezept findet, mit dem sich Kriege beenden ließen, liefert ihm der Autor doch eine nüchterne wie kluge Darstellung von Kriegen und Friedensschlüssen aus der Zeit vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ersten Weltkrieg und darüber hinaus. Keine Anleitung zum Frieden also, aber ein gründlich erarbeiteter, gut lesbarer Einblick in die Komplexität möglicher Wege dahin, so Langels.

Von der Macht der Maschinen und der Mathematik erzählt dieser Roman des Chilenen Benjamin Labatut, der den Rezensenten Felix Stephan staunend und begeistert zurücklässt. Im ersten Teil widmet sich das Buch dem Mathematiker John von Neumann, der nicht nur den ersten speicherfähigen Computer entwickelt hat, sondern auch ein schwieriges Genie ist, mit durchaus fragwürdigen Vorstellungen von Ethik und Moral. Von der "Ankunft der neuen Götter" erzählt dann wiederum der zweite Teil, der sich … mehr

Rezensentin Renate Meinhof hat Thomas Brussig in seinem Haus in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs besucht, um mit dem in Ostberlin geborenen Schriftsteller über das Scheitern und die Klimakrise zu sprechen. Denn davon handelt Brussigs neustes Buch, das als Roman scheiterte - nicht zum Nachteil der Leser, wie wir erfahren. Denn die Kritikerin liest das Buch, in dem Brussig gegen den alarmistisch-apokalyptischen Ton in der Debatte ums Klima anschreibt, mit … mehr

Rezensentin Sigrid Brinkmann ist Joann Sfar dankbar für diese Graphic Novel, die den Geist der französischen Rechten entlarvt, wie sie meint. Sfar erzählt hier laut Brinkmann ohne feste Chronologie von seiner Kindheit in Nizza, von seinem Vater und frühen Erfahrungen mit dem Jüdischssein, von Karate und Antisemiten. Weil Sfar ein "gutgelaunter Pessimist" und ein prägnanter Erzähler ist, ist das Buch so wirkungsvoll, glaubt Brinkmann.

Für den Rezensenten Andreas Bernard ist dieses Buch von Heinz Bachmann so etwas wie "erinnerungspolitischer Balsam" - und das meint der Kritiker keineswegs positiv. Zwar liest der durchaus bewegt, wie der inzwischen 84-jährige Geophysiker sich an die Schwester erinnert, freundlich, in schlichten Worten und mit einigen bisher nicht bekannten Informationen. Wenn Bachmann die gemeinsame Kindheit rein idyllisch und harmonisch ausmalt, will der Kritiker ihm nicht auf den Leim gehen. Dass am … mehr

Rezensent Thilo Kößler nennt Herfried Münklers neues Werk ein wichtiges Buch in schwierigen Zeiten. Münkler bietet Orientierung in einem Moment der Weltgeschichte, da die alte Weltordnung mit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine zusammenbricht und noch keine neue in Sicht ist, meint Kößler. Indem der Autor sich auf seine Expertise in politischer Theorie stützt und exkursiv geopolitische Theorien aufruft, wird für Kößler schemenhaft eine neue Ordnung sichtbar. Die dürfte weder … mehr

Die 42-jährige Claire ist quasi eins mit der Natur und hat sich inmitten von Wald und Wiesen ihr Leben eingerichtet, für einen Mann ist da eigentlich kein Platz, beleuchtet Rezensent Harald Eggebrecht die Prämisse von Sandra Hoffmanns Roman. Doch dann lernt die Pädagogin, die Jugendlichen den Wald und seine Bewohner näherbringt, den 16-jährigen Janis kennen, der ihr bemerkenswert scheint und ihr mit einer Berührung klarmacht, dass er ähnlich empfindet. Seine … mehr

Rezensent Fritz Göttler kann nur staunen, wie Edgar Allan Poes Schauergeschichte vom großen Strudel vor Norwegens Küste, in den ein Fischer gerät, in der Bearbeitung von Martin Auer, der auch die Musik beisteuert, und Christian Brückner (Stimme) zur Parabel des Menschen und seines Erkenntnisdrangs wird. So einfach die Story, so verblüffend für den Rezensenten, wie Musik und Stimme gleichberechtigt Atmosphäre, Spannung und zugleich Gelassenheit erzeugen. Genau der richtige Ton für … mehr

Eine "Weltschau der psychologischen Mikroskopie" liest der begeisterte Kritiker Cornelius Wüllenkemper bei Laurent Mauvignier und dessen Roman, der gar nicht so leicht in Worte zu fassen ist: Es geht um eine kleine Familie, Mutter Marion, Vater Patrice und Tochter Ida, die in einem einsamen Dorf leben und eines Tages eine Art Überfall erleben, den der Autor minutiös, wie unter einer Lupe und äußerst spannend erzählt. Wüllenkemper kann gar nicht nachvollziehen, was andere Kritiker … mehr

Überfällig scheint dem Rezensenten Andreas Bernard dieser von Mike Laufenberg und Bent Trott herausgebene Band, der die wichtigsten Schlüsseltexte der Queer Studies aus den Jahren 1990 bis 2015 versammelt. Ein bisschen Mühe werden Leser angesichts der dekonstruktivistischen und diskursanalytischen Lektüren auf sich nehmen müssen, warnt der Kritiker vor - aber es lohnt sich, versichert er: Schon die belesene, neunzigseitige Einleitung der Herausgeber führt den Rezensenten profund ins Thema ein, die … mehr

Sehr beeindruckt ist Rezensent Carsten Otte von Marion Poschmanns neuem Roman, der von drei Frauen handelt, die gemeinsam ein Wochenende in einem Forsthaus verbringen. Sie streiten sich untereinander oft, lernen wir, und einmal laden sie drei Männer ein, was zu weiteren Konflikten führt. Vorderhand organisieren die drei ihr Leben rational, führt Otte aus, aber plötzlich treten sonderbare Störsignale in ihr Leben, die auf mythische Ursprünge zu verweisen scheinen. Otte bringt … mehr

Rezensentin Meike Feßmann ist absolut hingerissen von diesem Roman, der von einem Anschlag der RAF auf die US-Militärbasis in Heidelberg erzählt (bei dem drei Menschen starben, aber das muss man schon googeln, Feßmann erzählt es nicht) und vom Prozess gegen die RAF. Dass sich Autorin Stephanie Bart ganz in die Denkungsweise der RAF im Allgemeinen und Gudrun Ensslins im Besonderen hinein begibt, ohne Distanzierung, ja in "Träumen" ihre Ideen noch … mehr

Rezensentin Marie Schmidt zieht diesen von Marion Poschmann und Yoko Tawada herausgebenen Band mit ins Deutsche übertragenen japanischen Gedichten dem neuen Roman von Poschmann offenbar vor. Dichterinnen und Übersetzer wie Ilma Rakusa, Michael Krüger, Lutz Seiler oder Monika Rinck haben sich hier gemeinsam mit sprachkundigen Experten ans Werk gemacht, zeitgenössische japanische Lyrik zu übersetzen - und das trotz der Bedenken der japanischen KollegInnen. Die Problematik thematisieren Poschmann und Tawada selbst, … mehr

"Ein Buch, auf das man sich einlassen muss", liest Rezensentin Insa Wilke: Die Künstlerin Don Mee Choi bringt ihr Geschehnisse näher, an die man sich im Westen kaum erinnert. Der Krieg in ihrem Heimatland Korea und der Übergang in eine militarisierte Diktatur, gestützt von den USA, ist im historischen Gedächtnis kaum mehr präsent. Die USA, in die sie emigriert ist, wirken dabei als Kolonialmacht in der titelgebenden "demilitarisierten Zone" zwischen Nord- und Südkorea, mithin wird die englische Sprache … mehr

Ein wichtiges Thema behandelt das Buch von Sophie und Christoph Schönberger, findet Rezensent Christoph Koopmann: Die Reichsbürger sind nicht erst seit dem Auffliegen der "Patriotischen Union" im Dezember 2022 in aller Munde, aber allzu viel weiß niemand über diese Leute, die glauben, dass die Bundesrepublik Deutschland eigentlich gar nicht existiert. Wer Reichsbürger sind - ältere Männer mit schwieriger Biografie zumeist - meint man zu wissen, aber warum sie ausgerechnet auf diese … mehr