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Notizen zur Herbstbeilage der Zeit im Oktober erschienen am 13.10.2022

7. Dezember 2022. Im Herbst erscheinen die Buchmessenbeilagen der großen Zeitungen. Der Perlentaucher wertet sie aus und verfasst zu jeder Kritik in diesen Beilagen eine resümierende Notiz. Auch auf eichendorff21 können wir so einen Überblick über jene Bücher geben, die von den Zeitungen im Herbst als besonders wichtig erachtet werden. Hier die Literaturbeilage der ZEIT für Herbst 2022.

Rezensentin Katharina Teutsch freut sich, dass der Kampa-Verlag mit gleich drei Neuauflagen die Wiederentdeckung des polnischen Schriftstellers Witold Gombrowicz möglich macht. Während die Kritikerin dann aber über das Tagebuch und den neu übersetzten Debütroman "Ferdyduke" nicht allzu viele Worte verliert, ist es vor allem der Roman "Pornografie", den sie uns ans Herz legt. Ein "Porno ohne Geschlechtsteile" sei das, der sich so lese, als hätten sich Kafka, Proust, Nabokov und Beckett zu … mehr

Wer kennt Emmy Noether? Die erste Frau, die sich in Deutschland in Mathematik habilitierte? Die Einsteins Relativitätstheorie rettete? Und die Algebra auf eine neue Umlaufbahn schickte? Niemand, und darum findet es Rezensent Ralf Bönt ganz wunderbar, dass Lars Jaeger jetzt eine "äußerst lesenswerte" Biografie dieser Wissenschaftlerin geschrieben hat. Erstaunt lernt Bönt, dass Noethers universitäre Laufbahn generell von Naturwissenschaftlern unterstützt wurde, von "allen anderen" - damit sind wohl die Geisteswissenschaften gemeint, Bönt nennt … mehr

Bei manchen Besprechungen denkt man, dass Rezensenten nicht für die Kritik, sondern für die aufgewandte Lesezeit entschädigt werden sollten. Das würde dem Kulturbetrieb manch Überflüssiges ersparen. Warum ein Buch besprechen, dem man am Ende der Kritik nichts weiter als "raunende Unbedarftheit" attestieren kann - so lautet Timo Posselts resümierendes Urteil zum Buch. Der Rezensent macht es glaubhaft: Der französische Anglist Grégory Pierrot mag ein paar ganz amüsante Assoziationen zum Sozialtyp des … mehr

Von einem ganz besonderen Hörbuch erzählt Hendrik Feindt in seiner Rezension: Ende der Fünfzigerjahre hat Radio Bremen 46 Gespräche mit Wissenschaftler*innen gesendet, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten. Wie der Rezensent erläutert, erfahren wir aus den jetzt als Hörbuch veröffentlichten Gesprächen Schockierendes von den Fluchtbedingungen, aber auch einiges von den Schwierigkeiten in den Ankunftsländern wie den USA oder Norwegen. Es kämen sowohl berühmte Protagonist*innen zu Wort, wie Namen wie Hannah … mehr

Einen kunstvollen Essay über die Lügen der Ahnen und den Kapitalismus sieht Rezensent Felix Stephan in diesem Buch von Isabel Fargo Cole, die in Alaska den Spur ihres Ururgroßvaters folgt. Die Recherche entlarve den Klondike-Goldrausch des späten 19. Jahrhunderts als Fake. Stephan staunt: Ein windiger Journalist jazzte den Yukon hoch. Geld wurde aber nicht mit dem glänzenden Metall gemacht, sondern mit dem Profit, den Lebensmittelhändler und Walfänger durch die Glückssucher … mehr

Fasziniert, aber auch gefordert zeigt sich Rezensent Thomas Weber von diesem Buch der belgischen Philosophin Vinciane Despret über die Territorialität von Vögeln. Despret ist an Donna Haraway und Bruno Latour geschult, warnt Thomas Weber vor, auf Überraschungen müsse man sich also gefasst machen. Der Rezensent liest gebannt, wie Despret mit der alten Gewohnheit der Biologie bricht, Territorium nur im Kontext von Aggression und Besitz-Verteidigung zu verstehen. Sie setzt dagegen ein … mehr

Ein Kunstroman ist "Taube und Wildente", meint Rezensent Paul Jandl. Protagonist Ruprecht Dalandt hat eine Eingebung bezüglich eines Bildes, das sich ihm plötzlich als geniales Kunstwerk offenbart, erfahren wir, als eines, dessen Verkauf so einige figurative und tatsächliche Löcher stopfen könnte. Form, das Anschauliche, ist für Daland wie für Mosebach das Wesentliche an Kunst. Da gehts schon ins Metaphysische, meint Jandl leicht spöttisch. Wo die Form zerbricht, beginnt für beide "die Hölle des Unglaubens". Am … mehr

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt in den Augen von Rezensent Ulrich M. Schmid, "dass eine aggressive historische Deutung zu Tod, Zerstörung und Flucht führen kann". Der ukrainisch-amerikanische Historiker Serhii Plokhy überzeugt und beeindruckt daher Schmid, der die zwar nicht neuen, aber nun ins Deutsche übersetzten Texte gelesen und offensichtlich dabei viel dazugelernt hat. Schmid referiert in weiten Teilen seiner Rezension die ukrainische Geschichte, wie Plokhy sie in "Das Tor Europas" beschreibt: Von den Skythen über die Kiewer Rus bis zum Euromaidan. … mehr

Sehr wort- und zitatreich bespricht Wolfgang Schneider den neuen Roman von Peter Nadas, den er dennoch nicht ohne Einschränkungen empfiehlt. Wenn ihn Nadas hier in ein ungarisches Dorf der Sechziger entführt und dabei ein Gemälde wie von Hieronymus Bosch entwirft, spürt der Kritiker auf jeder Seite den Satan wüten. Ob eine dauerfurzende und bellende Hilfsarbeiterin es mit dem ganzen Dorf hinterm Plumpsklo treibt, eine Zwergin einen bösen Athleten gebiert oder … mehr

Rezensent Thomas Speckmann bespricht eine Reihe historischer Neuerscheinungen zur Ukraine. Zu Kerstin S. Jobsts "Geschichte der Ukraine" verliert der Rezensent dabei nur einige Anmerkungen. Besonders interessiert hat ihn ihre Darlegung über den Begriff "Ukraïna", der "am Rande" bedeutet. Jobst, so scheint es, leitet daraus einige Grundzüge der ukrainischen Geschichte ab. Unter anderem sei mit der scheinbaren Randexistenz ein Zugewinn an Freiheit verbunden, der sich historisch etwa in der "Kosakenfreiheit " manifestierte. Hierauf könne sich … mehr

Rezensentin Katharina Granzin liest Karen Duves Roman über Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt "Sisi", vor dem Hintergrund der aktuellen Schwemme an Sisi-Content und findet in Marie Kreutzers aktuellem "Sisi"-Film "Corsage" in mancher Hinsicht einen Verbündeten des Romans im Geiste. Zu einer eindeutigen Aussage über die historische Kaiserin will sich die Autorin allerdings nicht hinreißen lassen, beobachtet Granzin: Duves Sisi ist "vielgesichtig, schillernd und ambivalent", was sich vor allem in Form verschiedener Außenperspektiven auf … mehr

Rezensent Oliver Jungen hat viel Freude an Ian McEwans "Mann ohne Eigenschaften", einem Barpianisten in "Großbrexitannien", der gewöhnlicher nicht sein könnte, aber laut Jungen gerade darum zur Identifikationsfigur taugt. Wie der Autor dieses Niemandsleben mit all seinen Irrungen und Wirrungen, Abgründen und enttäuschten Hoffnungen um die Frage, was ein erfülltes Dasein ausmacht, herum entfaltet, scheint Jungen lesenswert, unterhaltsam, ja lehrreich. Dass der Autor stilistisch virtuos agiert und nie zynisch wird oder doziert, … mehr

Praktisch seit Anbeginn lebt Familie Sander auf einer kleinen Nordseeinsel, verrät Katharina Granzin. Was auf den ersten Blick nach Ferien-Idyll aussieht, werde für die fünf Sanders aber zunehmend zur Belastung. Alle Charaktere tragen ihre individuellen Sorgen und Nöte mit sich, von Alkoholismus über ausbleibende Touristen bis hin zur Perspektivlosigkeit des Insellebens sei alles dabei, erklärt die Rezensentin, (fast) alle Perspektiven dürften von den Leser*innen im Laufe des Romans nachvollzogen werden. … mehr

Rezensent Florian Eichel schätzt Edouard Louis als genauen Beobachter, als "Forensiker der sozialen Ungerechtigkeit" gar. Vergleiche mit Stendhal, Balzac oder Maupassant scheut der Kritiker ebenfalls nicht - mehr noch: Im Gegensatz zu jenen mache Louis die feinen sozialen Unterschiede als "Tatwaffen" sichtbar. Nur leider kennt der Rezensent all das, was Louis hier in zwei Briefen an Vater und Jugendfreundin Elena schreibt, hinreichend aus den Vorgängerromanen: Aufstieg aus dem Prekariat, sexuelle und intellektuelle Erweckung … mehr

Rezensent Ijoma Mangold ist enttäuscht. Er mag Lisa Eckhart, schätzt ihre Angriffe aufs woke Milieu und fand die Antisemitismus-Vorwürfe gegen sie überzogen. Nur leider macht alles Wohlwollen den neuen Roman nicht gut, seufzt er. Schon den Plot kann Mangold nur erahnen: Im Wesentlichen geht es offenbar um die junge, überwiegend Latein sprechende Österreicherin Aloisia, die nach Paris fährt, um ihren Ex Romain aufzusuchen und bereits auf dem Flughafen den titelgebenden … mehr

Selten loben Rezensenten Romane für ihre große Seitenzahl. Rezensentin Judith von Sternburg tut dies. Ausgangssituation und Handlung ließen sich zwar auch in wenigen Worten beschreiben, doch Daniela Dröschers "Lügen meiner Mutter" braucht dennoch "dringend" jede seiner 444 Seiten, um auf die ihm eigene originelle und packende Weise von Elas Problem zu erzählen, so die Rezensentin. Ela ist ein Kind, als die Geschichte einsetzt, und sie hat ein Problem. Dass ihre dicke Mutter … mehr

Literatur ist was anderes, aber trotzdem, schöner Schmöcker, findet Rezensentin Elke Schmitter. Die Ich-Erzählerin von Violeta blickt zurück auf ihr Leben, das als Kind aus gutem Hause begann, lesen wir. Als der kriminell gewordene Vater Selbstmord begeht, zieht die Familie aufs Land und hier beginnt Violetas Emanzipationsweg, wenn wir das richtig verstehen: den sozial Entrechteten zugeneigt und als Ehefrau irgendwann erkennend, dass sie subtil unterdrückt wird. Gefahren lauern ihr auf, … mehr

George Orwell hat in seinem kurzen Leben - er starb mit 47 Jahren - vieles gemacht und vieles davon wurde berühmt: sein Kampf im Spanischen Bürgerkrieg, seine Sozialreportagen und natürlich die Romane - zwischen 1933 und 41 schrieb er jedes Jahr einen, lesen wir baff. Rebecca Solnit, die die Rezensentin Susanne Mayer als philosophisch-politische Schriftstellerin einsortiert, guckt aber lieber auf eine unbekanntere Seite Orwells: den Gärtner, den Liebhaber schöner Dinge, … mehr

Vor dem eigentlichen Ukrainekrieg tobte schon der Krieg der Narrative, schreibt Rezensent Thomas Speckmann, der in einer Sammelkritik einige Neuerscheinungen zur ukrainischen Geschichte bespricht. Darunter sind zwei Bücher des in Harvard lehrenden Serhii Plokhy. Neben dessen Standardwerk "Das Tor Europas", das einen Blick auf die lange Geschichte der Ukraine wirft, empfiehlt der Rezensent auch "Die Frontlinie". Hier setze sich Plokhy mit dem aktuellen Krieg auseinander. Seine Hauptthese sei dabei, dass es gar nicht … mehr