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Notizen zur Herbstbeilage der FAZ erschienen am 25.11.2023

30. Oktober 2023. Im Herbst erscheinen die Buchmessenbeilagen der großen Zeitungen. Der Perlentaucher wertet sie aus und verfasst zu jeder Kritik in diesen Beilagen eine resümierende Notiz. Auch auf eichendorff21 können wir so einen Überblick über jene Bücher geben, die von den Zeitungen im Herbst als besonders wichtig erachtet werden. Hier die Literaturbeilage der FAZ für Herbst 2023.

Einen rasanten Parcours durch die Geschichte gewitzter Medienfälschungen bietet dieses Buch von Ernst Strouhal und Claudia Geringer für Rezensent Helmut Mayer. Angefangen bei Karl Krauss, der im Jahr 1911 der "Wiener Neuen Freien Presse" unter einem Pseudonym die frei erfundene, aber kunstvoll erdachte, Beobachtung eines Erdbebens unterjubelte, über Arthur Schütz' satirische Interventionen bis zu Wolfang Hildesheimers historischem Roman über seine völlig fiktive Figur Marbot, erschließen die Autoren das Gebiet der "Grubenhunde". Das sind … mehr

Dass die Geschichte des Deutschen Theaters eng verknüpft ist mit den Irrungen und Wirrungen der deutschen Geschichte seit dem 19. Jahrhundert, kann der beeindruckte Rezensent Simon Strauß bei Esther Slevogt lesen, die die vielfältigen Entwicklungen des Hauses "seismographisch" vor Augen führt. Über die Intendanz von Heinz Hilpert zwischen Horvath-Premieren und NS-Zeit kann er sich ebenso informieren wie über seinen Nachfolger Wolfgang Langhoff und die Probleme mit der SED, die unter … mehr

Als ein kleines Wunderwerk beschreibt Rezensent Stefan Trinks das Buch des Illustratoren Nikolaus Heidelbach. Die titelgebende Luise ist ein Krakenmädchen, erfahren wir, das mit einem Menschenjungen namens Luis Freundschaft schließt und gemeinsam mit ihm diverse Abenteuer erlebt. Was das Buch so besonders macht, sind jedoch vor allem die Zeichnungen, die surrealistische Einflüsse aus der Kunstgeschichte, insbesondere der 1920er und 1930er, Jahre verarbeiten. Aber auch Van Gogh und antike Friese nennt … mehr

Fluchtgeschichten zu schreiben ist ziemlich schwierig, noch dazu für Kinder, Edward van de Vendel und Anoush Elman gelingt es aber, findet Lena Bopp: Die beiden knüpfen hier an ihr vorhergehendes Buch an und erzählen die Geschichte der Schwester des Protagonisten aus "Der Glückfinder". Die kleine Roya erzählt aus ihrer Perspektive, wie es nach der Flucht der Familie aus Afghanistan in den Niederlanden weiterging - und von ihrem Zwergkaninchen, das eine besondere … mehr

"Bionische Entwicklungshilfe", Robotik und geklonte Tiere sind mittlerweile zumindest in Ansätzen realisiert und realisierbar, hält Rezensent Dietmar Dath fest, als H.G. Wells' Grusel-Sci-Fi-Roman Ende des 19. Jahrhunderts zuerst erschienen ist, war das noch nicht so. Der Protagonist Dr. Moreau versucht, Mensch und Tier zu kreuzen, was Dath als eine Parabel auf Technologiefelder liest, die ihre Fortschritte nach bestimmten ideologischen - beispielsweise kapitalistischen oder kolonialen - Bestrebungen umsetzen. In der gelungenen Neuübersetzung … mehr

Rezensentin Melanie Mühl begibt sich mit Namwali Serpelis Roman tief in die Abgründe der Trauer: Die Protagonistin Cee verliert ihren Bruder Wayne im Kindesalter durch Ertrinken. Oder auch nicht - die verschiedenen Todesarten, die Cee schildert, lassen verschiedene Möglichkeiten zu, die Mutter glaubt, ihr Sohn könnte noch leben, resümiert Mühl. Für sie entsteht durch diese produktiven Verwirrungen vor allem ein tiefer Einblick in die Mechanismen von Trauer und die Schwierigkeiten, … mehr

Als ambivalent beschreibt Kritikerin Kira Kramer die Herangehensweise Claire Dederers an die Frage, ob man Kunst und Künstler voneinander trennen kann: 13 verschiedenen Fällen von Woody Allen bis J.K. Rowling widmet sie sich nicht mit einem objektiven Fragenkatalog, sondern bewusst subjektiv. So macht sie es weder sich noch dem Lesepublikum leicht, wie Kramer einräumt, die die Gedanken der Autorin aber äußerst klug und bedenkenswert findet, gerade weil sie die Unabgeschlossenheit … mehr

Rezensentin Kristina Maidt-Zinke schwelgt im Epochenbild und Gesellschaftspanorama, das Inger-Maria Mahlke in ihrem neuen Roman zeichnet. Lübeck zur Zeit, als Thomas Mann in der Hansestadt Gymnasiast war, porträtiert die Autorin samt allerhand Haupt- und Nebenfiguren rund um die Senatoren-Familie Lindhorst laut Rezensentin so farbig, augenzwinkernd und originell, dass die etwas ranschmeißerische Nähe zu den "Buddenbrooks" der Rezensentin durchaus verzeihlich und eine Verfilmung nur eine Frage der Zeit zu sein scheint.

Rezensentin Marie-Louise Goldmann schlendert mit Daniel Schreiber trauernd durch Venedig und staunt, wie nonchalant der Autor Erinnerungen an seinen verstorbenen Vater mit Gedanken übers Rauchen, Eva Horns Katastrophentheorie, Judith Butler und Derrida zu verbinden vermag. Plötzlich ist das Buch schon zu Ende, und die Rezensentin hat einiges gelernt, etwa dass sich sogar aus einem Haufen Klischees allerhand Erkenntnisse destillieren lassen.

Ein großes Fest ist die Lektüre von John Banville mal wieder für Rezensent Hubert Spiegel: Dieser neue Roman zeigt ihm die Macht der Illusionen im Zusammenspiel von Schein und Sein und bedient sich mit "erzählerischen Tentakeln" am Personal seiner Vorgänger-Romane. Ein früherer Mörder spielt ebenso eine Rolle wie ein verstorbener Wissenschaftler, bei dem nicht ganz klar ist, ob seine Befunde wirklich von ihm aufgestellt worden sind, der Frage soll sich ein … mehr

Interessiert liest Rezensentin Sonja Asal Anna Zimmermanns Buch über die weibliche Brust als politisch brisanten Körperteil. Zimmermann untersucht, lernen wir, Ikonografien der Brust, setzt dabei bereits in der Antike an und landet schließlich in der Gegenwart, in der Brüste oft aggressiv, als Mittel des Protests eingesetzt werden. Material hat die Autorin reichlich gefunden, auch wenn die Abbildungen im Buch laut Asal eher klein geraten sind. Brüste sind eben nicht privat, … mehr

Teils unangenehm angegangen findet sich der am Ende gleichwohl angetane Rezensent Claudius Seidl von diesem Buch, das aus einem Gespräch entstanden ist, das die Journalistin Saskia Jungnikl-Gossy mit dem Schauspieler Peter Simonischek kurz vor dessen Tod geführt hat. Wenn im Satz etwa einzelne Worte durch viel freien Raum um sie herum monumentalisiert werden, dann passt das, findet der Rezensent, gar nicht zu Simonischek, der auf der Bühne oder im Film … mehr

Rezensent Florian Eichel reicht es wirklich mit Peter Handke: Dieses neue Büchlein versammelt in "beredter Aussagenlosigkeit" lauter Topoi, die er schon von dem Nobelpreisträger kennt, angefangen bei dem Protagonisten Gregor, der ihm in vielen Büchern begegnet ist, über die Spaziergänge in der Natur bis zu den Gefühlen von Heimat und Heimatlosigkeit. Auch die sprachlichen Konstruktionen, die eine Art übereifrigen Lektor zwischen Erzähler und Leser schalten, sind ihm zu mühselig und konstruiert. … mehr

So richtig glücklich wird Rezensent Andreas Kilb mit Richard Overys umfangreichem Buch über den Zweiten Weltkrieg nicht. Overy beschreibt diesen aus einer globalgeschichtlichen Perspektive, woraus unter anderem folgt, dass er den Konflikt nicht 1939, sondern bereits 1931 beginnen lässt, führt Kilb aus. Die japanischen Eroberungsfeldzüge in Asien und Italiens afrikanischen Kolonialkämpfe sind, so Kilb, nach Overy Teil eines Konflikts, in dem alte Kolonialmächte wie Frankreich und England gegen Deutschland, Japan … mehr

Vieles weiß Rezensent Andreas Platthaus über die Geschichte dieses großen Liebesbriefes von Oscar Wilde zu berichten, der meist unter dem Titel "De Profundis" firmiert, in dieser Neuübersetzung von Mirko Bonné aber mit "Aus der Tiefe" bezeichnet wird. Wilde hatte ihn in der Haft, unter der er sehr litt, an seinen Geliebten geschrieben und eigentlich keine Veröffentlichung geplant, die dann auch erst posthum erfolgte, weiß Platthaus. Im Vergleich mit der 1966 erschienenen Übersetzung von … mehr

Als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident ist Hendrik Wüst fast schon automatisch ein Anwärter auf die CDU-Kanzlerkandidatur, erläutert Rezensent Reiner Burger, eine Tatsache, die Tobias Blasius und Moritz Küppers Buch über den Politiker ebenso automatisch Aufmerksamkeit verschafft. Burger zeichnet zunächst den politischen Werdegang Wüsts nach und erläutert dann, dass die Autoren den Ministerpräsidenten als einen flexiblen Machtpolitiker beschreiben. So galt Wüst einst, zeichnet Burger mit Blasius und Küpper nach, als ein dezidiert konservativer … mehr

Tief beeindruckt ist Rezensent Tilman Spreckelsen von diesem wiederentdeckten Roman eines Autors, der das, worüber er schreibt, selbst aus nächster Nähe kennt: Georgi Demidow war wie sein Protagonist Belokrinitskij im stalinistischen Lager und hat es nur knapp überlebt. Ein "irritierendes Miteinander von Form und Chaos" liest Spreckelsen in den Schilderungen der Erfahrungen, die der Protagonist, dessen Perspektive wir einnehmen, mit dem NKWD macht - entwürdigende Gemeinschaftszellen, ständige Verhöre, und immer die Unsicherheit, was noch kommen … mehr

Über weite Strecken interessiert liest Rezensentin Marianna Lieder Jule Govrins Studie über die Ökonomisierung des Begehrens. Deren Grundthese ist laut Lieder, dass der Kapitalismus auch Intimität und Begehren in Waren verwandelt hat. Ganz neu ist diese Idee nicht, so die Rezensentin, die allerdings anmerkt, dass Govrin sich, im Gegensatz etwa zu Eva Illouz, eher auf Michel Foucault und seine Diskursanalyse beruft als auf die Frankfurter Schule, was sich unter anderem … mehr

Ein wichtiges Buch über Chinas Großmachtstreben hat Janka Oertel geschrieben, so die Rezensentin Anna Schiller. Die Sinologin Oertel moralisiert darin nicht, freut sich Schiller, sondern macht ihre Warnungen vor China an der Politik der Kommunistischen Partei fest, die keineswegs immer ökonomisch rational handele, sondern vor allem um ihre eigene Macht besorgt sei. Außerdem sieht die chinesische Politik laut Oertel den liberalen Westen in der Tat als ein gefährliches Gegenmodell zur … mehr

Sensibel und trotzdem aufschlussreich sowie humorvoll findet Rezensent Oliver Jungen die Herangehensweise von Katharina von Gathen und Anke Kuhl an das Thema Tod. Religiöse und spirituelle Aspekte der Trauer spielen ebenso eine Rolle wie biologische Aspekte des Sterbens, hält Jungen fest, wie zum Beispiel die Entstehung von Totenflecken oder dass Würmer keine Särge anknabbern, weil sie sich ganz anders ernähren. Auch Menschen, die von Berufs wegen häufiger mit dem Tod … mehr

Kristin Shi-Kupfers Buch wendet sich laut Rezensentin Anna Schiller gegen die Annahme, die Digitalisierung Chinas sei komplett zentralisiert. Vielmehr gibt es, so Schiller mit Shi-Kupfer, in diesem Bereich zahlreiche Akteure, von Hackern bis Unternehmern, die teils durchaus unterschiedliche Interessen vertreten, auch wenn sie dadurch oftmals ins Visier der Zentralmacht geraten. Der Rezensentin bleibt letztlich unklar, welche Schlüsse aus dieser Diagnose zu ziehen sind. Einerseits warnt die Autorin davor, dass chinesische … mehr