Hans-Peter Kunisch hat Tea Obrehts Debütroman genossen und in ihr ein echtes Erzähltalent entdeckt, restlos überzeugt ist er von dem Roman der 1985 in Belgrad geborenen und in Amerika lebenden Autorin aber nicht. "Die Tigerfrau" wurde allseits bejubelt, als sie im amerikanischen Original erschien, und in dreißig Sprachen übersetzt, weiß der Rezensent. Die Begeisterung, die Kunisch durchaus teilt, rührte nicht nur von dem ungewöhnlichen und differenzierten Blick, den die Ich-Erzählerin Natalia zurück auf den Jugoslawienkrieg wirft, einem eigentlich in der Literatur reichlich beackerten Feld, wie der Rezensent meint. Besonders hat man die Autorin aber für ihren "magischen Realismus" gepriesen, der in vielen Geschichten in den Roman hineingetragen wird und sich mit der Figur des Großvaters von Natalia verknüpft. Obwohl Kunisch gerade diese Geschichten wirklich großartig erzählt findet, verbindet sich diese zweite, mythische Ebene nicht überzeugend mit der Geschichte des Großvaters. Wenn schon große Symbole bemüht werden, erwartet der Rezensent auch eine tragfähige Verbindung zwischen realistischer und wunderbarer Erzählebene, wie er deutlich macht, weshalb sein Urteil nicht rückhaltlos positiv ausfällt.