Keinen Roman, aber definitiv "große Literatur" hat Rezensent Ijoma Mangold mit Thomas Melles "Die Welt im Rücken" gelesen. Nachdem der Autor in drei Romanen bereits die manischen Auswüchse seiner bipolaren Störung fiktionalisiert verarbeitet hat, erzählt er nun die persönliche Geschichte seiner Krankheit, informiert der Kritiker. Und das gelingt ihm in mehrfacher Hinsicht schlicht brillant, so Mangold: Tragisch, gelegentlich auch komisch und poetisch findet der Rezensent, was Melle über die manische Phase erzählt, in der die "Neuronen außer Rand und Band feuern": Wenn Melle schreibt, wie er sich für den Messias hielt und glaubte, mit Madonna geschlafen zu haben oder sich in die Accounts von Popliteraten wie Christian Kracht oder Moritz von Uslar einloggte und in deren Namen postete, erlebt der Rezensent neben der verstörenden, auch die megalomanisch geniale Seite der Krankheit, in die bei Melle so viel kulturelles Wissen einfließt, dass sie Mangold wie eine "außer Kontrolle geratene Übersemiose" erscheint. Gebannt liest der Kritiker nicht nur, wie der Autor den neurochemischen Ursachen seiner Krankheit nachgeht, sondern auch, wie Melle seine Herkunftsgeschichte kurz skizziert und den Umgang mit seiner hypersensibel-hochbegabten Veranlagung im Arbeitermilieu schildert. Ein faszinierendes Buch, das Mangold wie die raffinierte Weiterentwicklung von Rainald Goetz erscheint.