Anders als viele andere hält Rezensentin Iris Radisch Virginie Despentes nicht für einen "weiblichen Balzac des 21. Jahrhunderts". Despentes Blick, erklärt Radisch, richte sich in ihren drei Büchern über den gealterten Punk-Häuptling Vernon Subutex nämlich nur auf einen bestimmten Teil der französischen Gesellschaft: die gescheiterten Utopisten und Idealisten der 70er, welche nun in Abbruchbuden oder unter freiem Himmel hausen und ihre Enttäuschung und ihren Zorn mit Erinnerungen an eine abenteuerreiche und glanzvolle Vergangenheit füttern, eine Zeit, in der die französische Subkultur noch Hoffnungen auf eine bessere Gesellschaft barg, in der es überhaupt noch so etwas wie Subkultur gab. Näher als der Vergleich mit Balzac liegt laut Radisch daher der mit Michel Houellebecq. Wie er "intoniere" sie den "Untergang des Abendlandes", allerdings weitaus mitfühlender als der Sozialpessimist Houellebecq. Rau und ruppig, und zwar sprachlich wie inhaltlich, geht es aber auch im 3. Teil des Subutex zu, meint die Kritikerin, die das Buch als Vorgeschichte zum Aufstand der Gelbwesten liest. Rührend findet die Rezensentin diesen "Nachruf auf die subkulturellen Aufbrüche des 20. Jahrhunderts" - rührend, aber offenbar nicht frei vom Sozialkitsch und den wohlfeilen Plot-Tricks amerikanischer Fernsehserien, in denen sich mehr oder meistens weniger skandalöse Ereignisse aneinanderreihen und den Zuschauer/Leser zum weiter konsumieren bewegen.