Mit hohem Lob bedenkt Alexander Camman diese umfangreiche Biografie Stefan Georges, die Thomas Karlauf vorgelegt hat. Dass dieser Dichter noch heute unvergessen sei, hält Camman für eine Legende. Im Unterschied zu Gottfried Benn scheint ihm George von der Bildfläche verschwunden und nunmehr ein bloßes Objekt weniger Literaturwissenschaftler und Esoteriker. Umso mehr begrüßt er Karlaufs Arbeit, zumal George wegen seiner historischen Ferne in seinen Augen kaum ein breiteres Publikumsinteresse finden dürfte, und auch, weil es kaum einen Dichter gibt, der mehr von Stilisierungen und Fälschungen, Mystifikationen und Geheimnissen umrankt ist. Die Stärke der Arbeit sieht Camman in ihrer Nüchternheit, in ihrer "stilistischen Askese", die ihn überaus beeindruckt hat. Ausführlich geht er auf das Leben Georges ein, an dem sich schon zu Lebzeiten die Geister schieden. Dabei bescheinigt Karlauf nicht nur, das bisweilen höchst komisch anmutende "Lebensschauspiel" des Dichters akribisch zu rekonstruieren, sondern auch, dessen Herrschaftspraktiken und den "homoerotischen Kern" seines Werks zu enthüllen. Georges Dichtung sei "der ungeheuerliche Versuch, die Päderastie mit pädagogischem Eifer zur höchsten geistigen Daseinsform zu erklären", zitiert Camman den Autor in diesem Zusammenhang. Als wohltuend empfindet er auch, dass Karlauf George nicht "pseudoaktualisierend" in die Gegenwart zerrt, sondern ihn als "fiebernde Figur einer nervösen Epoche" historisiert.