Als "beredeter Verschweiger" gebe sich Franz Blei (1871-1942) in seiner neu aufgelegten Autobiografie "Erzählung eines Lebens", befindet Rezensent Franz Haas. Blei habe viel zu sagen, er schreibe sogar noch ein bisschen mehr, aber nur wenig über sich selbst. Dementsprechend sieht Haas in dem Buch weniger ein Selbstporträt als einen "raffiniert zurückhaltenden Abgesang auf eine Epoche". Doch Blei sei nicht nur als "gnadenlos guter" Porträtist und "haargenauer Kritiker", als Förderer und Entdecker von Walser, Kafka, Musil, Bloch zu bewundern. An einigen Stellen seiner Memoiren zeige er sich auch als "großer Erzähler", wenn auch "meist flüchtig und offenbar ungern, aber unverkennbar". Bleis Schilderung seiner Zürcher Jahre zählt Haas zu den "kulturhistorisch wertvollsten Seiten" des Buches. Den Höhepunkt des Buches aber sieht er in der Beschreibung der lebhaften Jahre in München, wo sich Blei 1900 niederließ. "Er wird zum Promotor in allen literarischen Gassen, ein Spürhund und Dandy, gründet und wechselt Zeitschriften, verbraucht Frauen und das väterliche Erbteil, schreibt, übersetzt, polemisiert und posiert mit stupender Energie." Mit dem Glanz der Münchner Jahre ende das Buch eigentlich, der Weltkrieg und die Wiener Wirren danach kämen nur noch am Rand vor. Die zweite Hälfte des Buches bestehe zum guten Teil aus Porträts von Zeitgenossen wie Wedekind, Walser, Kubin, Bahr, Gide, Musil, die zusammen ein "scharfes Panorama der Epoche" ergeben. Ein großes Lob zollt Haas dem "brillanten Nachwort", das Ursula Pia Jauch zur Neuausgabe beigesteuert habe, und das den dicken Band "noch gewichtiger" mache.