Zu seinem hundertsten Geburtstag hat sich der Ullstein-Verlag nicht lumpen lassen und mit Sten Nadolny einen waschechten Romancier als Geschichtsschreiber bestellt, staunt Gustav Seibt. Keine schlechte Wahl, meint er, weil Nadolny nicht nur ein ausgewiesener Autor, sondern auch studierter Historiker ist, ein Schüler Thomas Nipperdeys, verrät Seibt. Nadolnys "Ullsteinroman" ist also in jeder Hinsicht ein anspruchsvoller Gesellschaftsroman, so wie es sich der Verlag auch mal auf die Fahnen geschrieben und mit Autoren wie Erich Maria Remarque oder Vicki Baum in die Tat umgesetzt hatte, schmunzelt Seibt. Die historische Fundierung ist dem Roman auch auf jeder Seite anzumerken, lobt unser Rezensent: zahlreiche Zeittafeln und Kurzbiografien brächten Klarheit in die Fülle des Stoffs, der Technikgeschichte, Bismarck-Zeit, Ersten Weltkrieg, Aufstieg des Antisemitismus bis hin zu Hitlers Machtergreifung unter einen Hut bringen muss. Die Fülle des Materials ist dennoch ein Problem, meint Seibt, denn Nadolny habe sich für die Form des Familienromans entschieden: für einen solchen transportiere der Roman zuviel Informationen, werde unübersichtlich, lasse die Figuren sich nicht richtig entfalten. Der historisch Interessierte aber, als welcher Seibt sich sieht, hätte gerne ein doppelt so dickes Buch mit vielen Abbildungen und Fußnoten in Kauf genommen.