Nach der Lektüre von Annette Pehnts neuem Familienroman "Chronik der Nähe" bleibt Rezensent Helmut Böttiger ebenso beklommen wie beeindruckt zurück. In der Geschichte um das konfliktreiche Verhältnis zwischen einer Großmutter, einer Mutter und einer Tochter, welche hier aus der Ich-Perspektive der Tochter erzählt wird, die am Sterbebett ihrer Mutter Annie versucht, das schwierige Verhältnis zu dieser zu klären, gelinge es Pehnt vorbildlich, nicht nur die Charaktere individuell scharf zu zeichnen und zugleich zu typisieren, sondern auch einen präzisen Blick auf die psychischen Abläufe der Figuren zu werfen. Neben den beiden meisterhaft beschriebenen Mutter-Tochter-Beziehungen, in denen die Autorin das gemeinsame Bild einer bedrückenden Entfremdung und Verdrängung in zwei verschiedenen historischen Phasen herausarbeite, liest der Kritiker detailreiche Schilderungen über das Aufwachsen in der Nachkriegszeit und in den bundesdeutschen Wohlstandsjahren der sechziger und siebziger Jahre.