Eine ausführliche und begeisterte Besprechung widmet Oskar Negt dem "Königsberg"-Buch von Jürgen Manthey, der Stadt, die heute Kaliningrad heißt, zwischen Litauen und Polen liegt und trotzdem russisches Territorium bildet. Negt hat einen persönlichen Bezug zu Königsberg, er stammt aus der Umgebung der einstigen Reichsstadt. Königsberg als Stadtrepublik, als einzigartige Stadtkultur, das seien die Aspekte, die für Manthey im Vordergrund stünden, erklärt er. Dem Untergang der Stadt 1945, die als einzige europäische Kulturhauptstadt nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut worden ist, wie Negt bemerkt, widme der Verfasser ganze acht Seiten. Umso länger und detailgenauer die Rekonstruktion der Stadtgeschichte, die Negt zu der Frage veranlasst, ob Manthey "Königsberg als ein wiedergekehrtes Athen" betrachte? Ein bisschen schon, meint er, wenn Manthey auch platte Analogien vermeide. Das Besondere an seinem Städteporträt sei die Utopie, die er dabei entwickle: wie Geselligkeit, Kultur, Bürgerbewusstsein das Gemeinwesen einer Stadt positiv prägen können. Königsberg gibt es in dieser Form schon seit 1933 nicht mehr, da stimmt Negt dem Autor zu, aber seine Grundidee sei nach wie vor gültig und rage "wie ein abgebrochenes Projekt in die Gegenwart hinein", schreibt er. Der Hauptteil des Buches - Porträts der Künstler und Intellektuellen, die in der Stadt gelebt haben, von Kant bis Hannah Arendt - findet bei Negt keine weitere Kommentierung; er spreche einfach für sich selbst, meint der Rezensent überaus wohlgesonnen.