Jugendbuchautoren orientieren sich mehr und mehr an literarischen Standards der Belletristik, meint Rezensentin Gerda Wurzenberger - Identifikationsfiguren fielen wenn überhaupt, dann nur noch durch die Hintertür ins Haus der Jugendliteratur. Die Rezensentin stellt zwei Jugendromane vor, die ihrer Ansicht nach zwar eine Entwicklung im Sinne einer Aufklärung der Geschichte bieten, aber in beiden bleibe ein unbegreiflicher Restbestand, der sich nicht (im sozialkritischen Sinne) aufklären oder einfach erklären lasse.
1) Mats Wahl: "Der Unsichtbare"
Der Schwede Mats Wahl hat einen Krimi für Jugendliche geschrieben, was ja jetzt eigentlich alle tun (das gilt für die Kinder- wie Jugend- und Erwachsenenliteratur), der sich aber in der Form recht ungewöhnlich präsentiert, behaupet Wurzenberger. Die Erzählperspektive wechsele. Zu Anfang wird noch aus Sicht des vermissten Jungen berichtet, aber je mehr der ermittelnde Kommissar der Wahrheit und einer rechtsradikalen Jugendgruppe auf die Spur komme, desto mehr trübe sich der Sinn des vermissten Jungen, der im Sterben liege. Zu dessen Tod fallen dem Autor haufenweise sozialkritische Motive und "pseudoreligiöse Erklärungen" ein, meint Wurzenberger und lässt offen, inwiefern sie dieses Zugeständnis an tröstungsbedürftige Kinder und Jugendliche gelten lässt.
2) Bart Moeyaert: "Es ist die Liebe, die wir nicht begreifen"
Ein Kurzroman, der nach Wurzenberger ein Gefühl der Rätselhaftigkeit und Unvollständigkeit vermittelt. Angesiedelt ist er in einer nicht näher bezeichneten Umgebung und einer nicht näher bezeichneten Zeit - die 60er Jahre, vermutet die Rezensentin, und die Nationalität des Autors - er ist Holländer - könne zumindest einen geografischen Anhaltspunkt liefern. Im Mittelpunkt steht eine halbjugendliche Heldin mit ihren großen und kleinen Geschwistern, die alle unter der Vorliebe ihrer Mutter für unmögliche Männer leiden. Fazit: Erwachsenenliebe ist grausam und vor allem unberechenbar. Die vom Autor so eingesetzte Fremdheit scheint das Buch aus den Beschränkungen des Genres herausgelöst zu haben, schreibt Wurzenberger, das Rätselhafte wiederum weise darauf zurück. Auch eine recht rätselhafte Bemerkung, aber es ist doch spürbar, dass die Rezensentin von diesem Roman stark beeindruckt ist.